Vom Vorgelegemotor zum mechatronischen Antriebssystem
Die Antriebstechnik trieb im 20. Jahrhundert die Industrialisierung maßgeblich voran. Sie bildet heute eine wichtige Säule der gesamten Automatisierung. In wechselvollen Jahrzehnten revolutionierten das Baukastensystem, der Vormarsch der Elektronik sowie neue Konstruktions- und Produktionsverfahren den Entwurf, die Fertigung und die Leistungsfähigkeit elektrischer Antriebe.
Als Schrittmacher auf dem Gebiet der Antriebsautomatisierung gestaltete und gestaltet SEW-EURODRIVE diese Entwicklungen maßgeblich mit.
Anfang des 20sten Jahrhunderts dominieren in den Fabrikhallen die Antriebsriemen
Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts dominierten in der Industrie Transmissionsantriebe. Ein zentraler Motor trieb mehrere Maschinen an. Abgesehen von Übertragungsverlusten und Lärmbelästigung bargen die zahlreichen Antriebsriemen in einer Fabrikhalle ein hohes Verletzungsrisiko. Ein weiterer Nachteil war die geringe Energieeffizienz, weil der Motor auch angeschaltet werden musste, wenn nur eine einzige Maschine lief.
Die nächste Entwicklungsstufe bestand in der Montage von Elektromotor, Getriebe und zwischengeschalteter Kupplung auf einer Grundplatte. Dadurch wurde nun zwar der Einzelantrieb ermöglicht, doch ließ dieses System nur geringe Variabilität in der Aufstellung zu und erforderte bei manchen Maschinen viel Einbauplatz.
Die 1920er Jahre: technischer Fortschritt durch Motor-Getriebe-Kombination
Der Konstrukteur Albert Obermoser aus dem nordbadischen Bruchsal war einer derjenigen, die sich auf die Suche nach einer platzsparenden Lösung machten. Am 11. August 1928 meldete er sein Patent des „Vorgelegemotors“ an. Obermoser koppelte den Elektromotor direkt mit einem niedertourigen Antriebselement. Die Vorteile der Erfindung bestanden in der kleineren, kompakteren Antriebseinheit und in ihrem ruhigeren und präziseren Lauf. Technikhistorisch ist darin ein Vorgänger des Getriebemotors zu sehen, dessen wesentliche Elemente er bereits enthielt.
Mit dem Vorgelegemotor stand Ende der zwanziger Jahre eine Antriebseinheit zur Verfügung, die je nach Maschinenerfordernissen mit verschiedenen Getrieben arbeiten konnte und – das ist am wichtigsten – den Einzelantrieb von Maschinen ermöglichte.
„Die Erfindung bezieht sich auf ein Motor-Getriebe-Aggregat mit einem am Getriebegehäuse angeflanschten Motorkörper, bei dem die Motorwelle an einer Seite statt in einem Lagerschild in der Wandung des Getriebegehäuses und die Vorgelegewelle in zwei Wänden des gleichen Teils dieses Gehäuses gelagert sind.“

Die 1930er Jahre: Gründung der Süddeutschen Elektromotorenwerke
Einmal in Bewegung gekommen, war der Siegeszug des Getriebemotors, so wie wir ihn heute kennen, nicht mehr zu stoppen. Auch bei den 1931 gegründeten Süddeutschen Elektromotorenwerken – heute SEW-Eurodrive – erkannte man damals sehr schnell die herausragenden Möglichkeiten dieser Antriebstechnik und verfolgte konsequent ihrer Weiterentwicklung und Optimierung. Unter Federführung des Firmengründers Christian Pähr machte sich das Bruchsaler Unternehmen in den folgenden Jahren einen Namen in der Maschinenbaubranche.
Die 1940er Jahre: Neuanfang und Aufbaujahre
Neuanfang und Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg kennzeichnen die zweite Hälfte der 40er Jahre. Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, im Jahre 1945, übernahm Ernst Blickle, der Schwiegersohn von Christian Pähr, die Geschäftsführung. Er baute den Betrieb trotz der schwierigen Nachkriegszeiten immer weiter aus. Nach den Reparaturarbeiten konnte man bald wieder zur Produktion von Getriebemotoren (Bild) übergehen.
Beim Wiederaufbau waren Antriebe von SEW-EURODRIVE ein gefragtes Hilfsmittel. Schon vor der Währungsreform 1948 zeichnete sich ein kleiner Boom auf dem Getriebemotorenmarkt ab. Im Frühjahr 1948 erfolgte die Grundsteinlegung für das Werk in Graben bei Bruchsal. Im Westen Deutschlands entstanden erste technische Vertretungen, die als freie Händler den Kunden SEW-EURODRIVE Produkte anbieten konnten. 1949 tritt das deutsche Grundgesetz in Kraft; auch in der Industrie geht es voran.